Marmor

Ich sitze auf der Treppe und schaue aus dem Fenster neben der Haustür. Der kühle Marmor lässt mich durch meine Jogginghose frösteln. Ich habe ihnen abgesagt. Allen. War hässlich zu ihnen, gemein. Meinte es auch genauso. Nicht mehr ihr Freund zu sein und nie mehr mit ihnen spielen zu wollen. "Geht! Haut ab!"

Schon als ich es ausspreche dieses Gefühl, als löse sich ein massiger, klebriger Klumpen im Kopf und plumpse direkt in mein Herz, wo er Wellen schlägt und dunkelrote Kreise nach außen tanzen aus einer unsichtbaren Mitte. "Es ist jetzt, glaub ich, besser, wenn ihr geht." Ein kühler Luftzug auf frisch gewaschenen Haaren im November. 

Ich sitze auf der Treppe und weine, kaue auf diesem rotzigen Schmerz, schluchze, will, dass sie zurückkommen, mich lieben, mit mir spielen, mich nie mehr verlassen, mich in ihre Mitte nehmen und mir Nähe geben.

Ich sitze also hier, werde selbst zu Marmor und zerspringe in zwei Teile oder mehr. Genieße diese Zerrissenheit dabei sogar für einen Augenblick. Den Schmerz, zwischen Bergmassiven zu stehen. Unbeweglich und klein, den Hals zum merklich verfinsterten Horizont gereckt. In meiner Vorstellung öffnet sich die Wohnungstür und jemand kommt raus, nimmt mich in den Arm und erklärt mir, dass es manchmal so ist mit den Gefühlen, dass sie dich hin- und her- und manchmal auch zerreißen können. Dass ich in Ordnung bin, auch, wenn mir dieses Gewippe so wackelig vorkommt und verrückt. Mich zum wahrscheinlich traurigsten Jungen der Welt macht in diesem Moment.

Aber die Tür bleibt zu. Erst Jahre später lerne ich, dass ich durch diese Tür treten kann, ein älteres, sanftes Ich und diesen Jungen umarmen, ihm Furcht nehmen und Zuversicht schenken kann.

Dass es gut ist, auch wenn es sich so unscharf anfühlt und bedrohlich. 

Ich tue das seither. Meine Wohnungstür öffnet sich immer häufiger und jedesmal, wenn ich diesen süßen verheulten Jungen da sitzen sehe, die Rotznase am Fenster reibend, erfüllt mich ein heißer, fast stechender Schmerz endloser Liebe. "Rück mal ein Stück!" 

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